FĂŒr mich war es nur eine Frage der Zeit, wann die Krankenschwestern und das restliche Pflegepersonal in den Streik gehen, jetzt wo wir durch das gröbste raus sind bezĂŒglich der Pandemie. Das ist zumindest mein persönliches Empfinden. Denn was hat man geklatscht 2020, als diese Menschen ihr Privatleben und ihre Gesundheit fĂŒr uns geopfert haben um das Ausmass der Pandemie aufzufangen. Von „unseren Helden“ war die Rede, doch wie hat man diesen Menschen Tribut gezollt? Durch klatschen auf Balkonen. That`s it. Keine Pointe.Â
Keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, keine bessere Bezahlung. Nein. Es gab LavendelstrĂ€usse, bienenfreundliche LavendelstrĂ€usse. Ich weiss es nicht, also helft mir bitte auf die SprĂŒnge: Gab es schon mal eine Zeit in der Krankenschwestern und Pfleger die Arbeit niedergelegt haben um zu Streiken? Nicht fĂŒr mehr Geld, sondern fĂŒr bessere Arbeitsbedingungen! Denn gerade das passiert in NRW! Wo bleibt der grosse Medienaufschrei? Die SolidaritĂ€t der Menschen? Ăber jeden verwirrten Coronaleugner konnte man schliesslich auch 2.5 Jahre 24/7 berichten!
Was mich am meisten enttĂ€uscht, sind die „Götter in Weiss“ die sich nun gegen die streikenden Menschen stellen und ihnen ein schlechtes Gewissen machen. Sie dĂŒrfen nicht aus den Augen verlieren, dass sie ohne die PflegekrĂ€fte nicht weit kommen wĂŒrden in den KrankenhĂ€usern, oder Altenheimen.
Notruf NRW
6 Unikliniken haben sich zusammengeschlossen, von VERDI unterstĂŒtzt, um auf die Katastrophe aufmerksam zu machen, die sich nicht erst seit Beginn der Pandemie anbahnte. Unmögliche Arbeitsbedingungen fĂŒr das Personal und Lernende plus unzureichende Zeit fĂŒr Patienten. Wie das genau aktuell aussieht, hat mir eine Krankenschwester erzĂ€hlt. Gedeckt sind ihre Aussagen, von vielen anderen Stimmen die man in den sozialen Medien findet unter #NotrufNRW und NotrufNRW
Hilferuf einer Krankenschwester
Wir stehen 365 Tage im Jahr im Krankenhaus und das 24 Stunden. Wir sind gut ausgebildet worden. FachkrĂ€fte, die ununterbrochen arbeiten, um die Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen.Â
Das alle sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen streiken und die Medien nicht darĂŒber berichten oder wenn, dann muss man etwas bezahlen um die Berichte lesen zu dĂŒrfen. Es ist unfassbar!
Warum ist es auf allen Titelbildern, wenn Busfahrer streiken oder Piloten? Möchten die Medien und die Politik nicht das die Bevölkerung Bescheid weiĂ? Sich gegebenenfalls mit uns solidarisiert? Hat man Angst, dass sich uns noch mehr FachkrĂ€fte anschliessen?Â
Die streikenden verlangen bessere Arbeitsbedingungen und Entlastung
Tausende PflegekrĂ€fte in ganz Nordrhein-Westfalen streiken seit ĂŒber 30 Tagen unbefristet. Die Streikenden bekommen keinen Lohn. Sie bekommen 75% ihres Verdienstes durch die Streikkasse. 75% von einem wirklich recht niedrigen Gehalt. Meine Kollegen verzichten auf 25% ihres Geldes um fĂŒr die Bevölkerung zu kĂ€mpfen, damit sich die Bedingungen in den KrankenhĂ€usern verbessern und niemanden interessiert dieser Streik – der aber alle betrifft.
Nicht selten schimpfen Menschen in den KrankenhĂ€usern, dass sie zu lange warten mĂŒssen. Doch wer warten DARF, dem geht es noch gut. Drinnen in den RĂ€umen kĂ€mpfen andere Menschen um ihr Leben. KĂŒrzlich habe ich drei Menschen reanimieren mĂŒssen, darunter ein Kind und wurde auf dem Flur als Hure betitelt, von jemanden mit einer Platzwunde, dem die Wartezeit zu lange ging. Manchen Menschen sehen nur noch ICH ICH ICH. SanitĂ€ter werden angegriffen, beschimpft – wir alle, die die Gesundheitsversorgung sicherstellen, bekommen es von allen Seiten ab.Â
Aber in Zukunft werden die Wartezeiten noch lĂ€nger betragen, denn wer kann, der verlĂ€sst den Job im Krankenhaus und sucht sich etwas anderes. Und nicht nur aus den KrankenhĂ€usern flĂŒchten die Pflegenden! Nachwuchs ist eher spĂ€rlich, viele brechen ab, da sie dem Druck nicht standhalten können und zu schnell zu viel von ihnen abverlangt wird.Â
Zur aktuellen Lage in den KrankenhÀusern in NRW
Operationen werden einfach als Notfall deklariert, damit das Geld flieĂt. Auch wenn bei vielen Operationen ĂŒberhaupt kein Notfall ersichtlich ist.Â
Mal abgesehen davon, was mit den Kollegen ist, die die Notbesetzung aufrecht erhalten. Die Kliniken und Ărzte mĂŒssen Geld verdienen deswegen wird nicht die Arbeit verringert, so wie es in einem Streik sein sollte. Denn auch ein Streik hat Regeln. Die Arbeit bleibt die gleiche und wird auf Kosten derer gemacht, die da sind, um die Notfall Besetzung aufrecht zu erhalten. Das fĂŒhrt ĂŒber frĂŒh oder lang dazu, dass noch mehr FachkrĂ€fte das weite suchen, oder ausbrennen und somit auch Langfristig  ausfallen. Die wenigsten kommen danach wieder zurĂŒck in den normalen Krankenhausbetrieb.Â
Ich arbeite in der AnĂ€sthesie und Intensivmedizin. Da gibt es ja 20 verschiedene Bereiche. Jede Schwester oder Pfleger ist in so zwei bis drei Bereichen eingearbeitet.Â
Aufgrund des Streikes war es jetzt aber seit zwei Wochen so, dass ich immer wieder morgens angerufen worden bin und teilweise an einem Tag in sechs verschiedenen Abteilungen arbeiten musste.
Ich habe dann irgendwann gesagt, dass ich das nicht mehr möchte. Ich mich sehr unwohl fĂŒhle in Bereichen zu arbeiten, wo ich mich nicht auskenne, dass ich Angst habe Patienten zu gefĂ€hrden. Ich merke dass die Ărzte sehr genervt sind wenn Sie bemerken dass ich einfach nicht gut eingearbeitet bin in dieser Abteilung. Es ist auch so, dass ich und meine Kolleginnen nicht mal wissen, wo die Toiletten sind auf den fremden Abteilungen! Das muss man sich mal vorstellen!Â
Ich habe dann gesagt, dass ich ab sofort immer streiken gehe, wenn sie mich in einer mir fremden Abteilung schicken. Man muss sich vorstellen, da geht es teilweise um Herzklappen Ops oder FrĂŒhchen!Â
Und ich stehe da als verantwortliche examinierte Krankenschwester die seit ĂŒber 2 Wochen durcharbeitet und weiĂ nicht mal, wo ich die Toilette finde. Geschweige denn die Arbeitsmittel und ich kenne die AblĂ€ufe nicht, die Notfallwagen usw.
Zu guter letzt, möchte ich meinen streikenden Kollegen nicht in den RĂŒcken fallen, in dem ich ihre Arbeit mache und alles auffange, damit es lĂ€uft. Und ich finde fĂŒr Kindermedizin,wo ich kĂŒrzlich eingesetzt wurde, muss man einfach echt extra ausgebildet werden. Ein Kind zu reanimieren ist einfach was anderes als einen Erwachsenen.
Helft uns bitte!Â
Jeder, der ĂŒber den Streit informiert ist und sich mit uns solidarisiert, ist ein Riesen Gewinn fĂŒr uns und somit fĂŒr die ganze Gesellschaft. Mehr von uns Pflegern und Pflegerinnen ist besser fĂŒr alle!
Falls du immer noch denkst, dich betrĂ€fe der Streik nicht, stell dir bitte vor, du hast einen Unfall, es geht um Leben und Tod und die FachkrĂ€fte in dem Op hatten seit ĂŒber 2 Wochen nicht mehr frei und sind fĂŒr deinen Fall nicht ausgebildet genug, geschweige wissen sie wo alles ist in dem Opsaal, wo du dich gerade auf dem Tisch befindest. Das ist keine Szene aus einem Film, das ist RealitĂ€t. Denkst du Immer noch, es ist ok diesen Streik zu ignorieren, der fĂŒr bessere Arbeitsbedingungen kĂ€mpft?Â
Was kannst du konkret tun?Â
Spreche mit deinem Umfeld darĂŒber, schreibt Briefe an die zustĂ€ndigen Politiker:innen. Unterschreibe als UnterstĂŒtzerin bei Notruf NRW. Es ist alles besser als Nichtstun.Â
Anmerkung:Â
Man kann als FachkraftÂ ĂŒberlastungsanzeigen stellen. Das bedeutet wenn man alleine im Dienst und das Leben der Patienten nicht mehr gewĂ€hrleisten kann, kann man eine Ăberlastungsanzeige stellen und somit die Verantwortung abgeben an den Chef der irgendwo im BĂŒro sitzt. Wenn man das aber in Anspruch nimmt wird einem mitgeteilt, dass man ungeignet ist fĂŒr den Pflegeberuf und lĂ€uft Gefahr seinen Job zu verlieren.Â
Eine andere Krankenschwester erzĂ€hlte mir, dass sie psychologische Betreuung nicht in Anspruch nehmen kann, nachdem sie schreckliches erlebt hat wĂ€hrend der Pandemie, weil es dann hiesse, sie sei nicht resilient genug fĂŒr den Job. In welcher Welt leben wir eigentlich, wo FachkrĂ€fte die Schreckliches gesehen haben sich nicht die UnterstĂŒtzung holen können, ohne dafĂŒr verurteilt zu werden von ihren Vorgesetzten?Â