Nicht immer nur bei anderen – Trennung nach 20 Jahren

Es ist wie in einem schlechten Film. Das, was eigentlich immer nur woanders passiert, kommt auch in meinem Leben vor. Nach über 20 Jahren Ehe und vier Kindern erzählt mir der Mann, dass er sich in eine andere verliebt hat und sie nun zu seinem Leben gehören soll. Aussortiert, aufs Abstellgleis gesetzt, im Schockzustand! Es braucht Tage und Wochen bis man dieses: „Es ist aus!“ überhaupt realisieren kann.

Gastbeitrag von Michaela Braun, Psychologin, Autorin und Mama von vier Kindern

Es ist wie in einem schlechten Film. Das, was eigentlich immer nur woanders passiert, kommt auch in meinem Leben vor. Nach über 20 Jahren Ehe und vier Kindern erzählt mir der Mann, dass er sich in eine andere verliebt hat und sie nun zu seinem Leben gehören soll. Aussortiert, aufs Abstellgleis gesetzt, im Schockzustand! Es braucht Tage und Wochen bis man dieses: „Es ist aus!“ überhaupt realisieren kann. Tage und Wochen, die noch zu früh sind für gute Ratschläge, zu früh für Traurigkeit, zu früh für irgendeinen Silberstreif am Horizont.In der ersten Zeit stehe ich neben mir. Ich schlafe nicht mehr, habe kaum Appetit. Trotzdem halte ich mich irgendwie aufrecht, um für die Kinder da zu sein.

Die Wut kommt

Was tun? Nicht wenige würden in so einer Situation ihrem Mann die Koffer packen, vor die Tür stellen und das Schloss auswechseln lassen. Die Wut kommt und die Wut muss sich auch einen Weg bahnen. Es ist völlig in Ordnung, dass die Wut kommt, denn es gibt 1000 Gründe, wütend zu sein. Würden wir den Schmerz und die Wut in dieser Situation unterdrücken, würde sie sich irgendwann später anders einen Weg bahnen. Von daher: Was raus muss, muss raus und dann ist es auch gut.

Denn auch wenn man das am Anfang nicht hören mag: So eine Geschichte hat immer auch eine Vorgeschichte. Natürlich gibt es in langen Beziehungen mit Kindern Routinen, die sich eingeschliffen haben. Jeder bringt seine Geschichte mit und während einer sehr viel Aufmerksamkeit braucht, verliert der andere sich selbst aus den Augen, weil er oder sie nur noch mit Geben beschäftigt ist und nur noch funktioniert. Hier aufmerksam zu bleiben und hin und wieder auch einmal über seinen Schatten zu springen und sensibel dafür zu sein, was es braucht, um auf der Paarebene lebendig zu bleiben, ist eine hohe Kunst. Wenn einem das bewusst wird, kann es helfen, den Blick auf das Ende der Beziehung zu verändern. Es geht nicht um Schuld. Es ist einfach so, dass manche Beziehungen nicht ewig andauern und 20 Jahre sind eine lange Zeit, auf die man stolz sein kann. Und – auch wenn wir kein Paar mehr sind – wir bleiben doch Eltern und wir bleiben uns in unserem Leben erhalten.

Wie gehen wir praktisch mit der neuen Situation um?

Es ist möglich, zunächst zusammen wohnen zu bleiben und sozusagen innerhalb eines Hauses Abstand zu gewinnen. Eine solche Trennung in der Beziehung unter einem Dach wird es zumindest als Übergangsphase häufig geben, sie stellt aber eine ziemliche Herausforderung für alle Beteiligten dar.Gerade in den ersten Wochen nach dem D-Day (Deklaration Day) werden immer wieder Emotionen hoch kochen. Je öfter man sich im Alltag sieht, desto mehr wollen Angst und Schmerz gezeigt werden und wird man auf der anderen Seitemit Schuldgefühlen konfrontiert. Damit nicht jeder Abend im Streit endet, kann es günstig sein, sich vorzunehmen, das Thema nur zu bestimmten Zeiten anzusprechen. In dieser ersten Phase kann es außerdem sehr hilfreich sein, sich Unterstützung bei einer Beratungsstelle zu suchen. Dort kann dann beispielsweise auch besprochen werden, wie man am besten mit den Kindern oder auch dem weiteren Umfeld über die neue Situation spricht. Wir haben es noch vier Monate unter einem Dach zusammen geschafft. Der Auszug des Mannes hat mich dann letztlich erleichtert. Nun schaue ich nicht mehr darauf, wann er weg ist, sondern wir überlegen gemeinsam, wann er hier sein kann.

Als sehr hilfreich habe ich empfunden, mir vorzustellen wie nun das neue Leben aussehen wird. Wie können wir es gestalten? Wenn Kinder da sind, können wir nicht davon ausgehen, dass wir uns nie wieder sehen werden. Wir werden immer wieder mit dem Partner und auch mit seinem neuen Leben, wahrscheinlich auch mit der anderen Frau, konfrontiert werden. Eine Trennung, die in gegenseitiger Achtung und Respekt geschieht, ist nicht leicht. Gerade derjenige, der die Trennung möchte, muss diese ja irgendwie vor sich rechtfertigen und da kann es einfacher sein, den anderen zum Gegner zu machen. Das geschieht leicht, wenn es plötzlich nur noch darum geht, seine Interessen durchzusetzen, vor allem mit Hilfe von Anwälten. Glücklicherweise gibt es heute die Möglichkeit in Mediationsverfahren Dinge einvernehmlich zu regeln.

20 Jahre sind eine lange Zeit, in der wir zusammengewachsen sind. Viele gemeinsame Erinnerungen, all die Meilensteine wie die Geburten der Kinder, Jobwechsel und Urlaube verbinden uns und nicht zuletzt die Kinder selbst in ihrer Lebendigkeit. Dies auch weiterhin wertzuschätzen, kann helfen, gut durch diese stürmische Zeit zu kommen.

 

 

Ein Gedanke zu „Nicht immer nur bei anderen – Trennung nach 20 Jahren“

  1. Bravo, für diese Gedanken, diese Reife, diesen Mut, diese Reflektiertheit, dieses Erwachsene Handeln! Chapeau für dieses respektvolle Miteinander!

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