Über Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit reden

Die Ärztin Kristina Hänel wurde gestern wegen „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt zu einer Strafe von 6000 Euro. Denn Paragraf 219a von 1933 besagt unter anderem:

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder

2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung

anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle

Die Begründung des Gerichtes ist, nun ja, sagen wir mal etwas..ich weiss nicht. Ich finde einfach gerade nicht die passenden Worte dafür. Rückständig, ja, wobei das Wort noch zu positiv ist für die Argumentation der Richterin:

„Der Gesetzgeber wolle nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.“

Dieser Blog würde nicht so heissen, wie er heisst, wenn ich nicht eine Menge Geschichten und Erlebnisse hätte die unter diese Rubrik fallen würden: „Was man so nicht sagen darf“  also, stossen wir mal eine rege Diskussion an zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“ denn ja, auch ich, wie viele andere Frauen auf der Welt, habe abgetrieben!

Feuer frei!

Für die Leser unter euch, die neu hier sind, sei ganz kurz was zu meiner Person erklärt:

Ich arbeite seit 1999/ 2000 mit Kindern von neugeboren bis Pubertät. Ich habe angefangen, Kinder zu begleiten, als die noch im Mutterleib waren, andere Widerrum durch die Nacht, weil ihr Mütter vor Erschöpfung nicht mehr konnten. Ich habe im 1 Jahr in einer Familie mit einem Neugeborenen verbracht, als Au-pair, als 24/7, denn ich habe dort auch gewohnt. Später auch als Live In Nanny die Mutter und Vaterrolle ausgefüllt. Ich war in Kitas für Baby- und Kleinkindgruppen verantwortlich, habe unzählige kleinere und grössere Einsätze gehabt mit Babys, Kleinkindern, behinderten Kindern. Seit 3 Jahren betreue ich ein nun als Nanny ein jetzt dreijähriges Mädchen und ihre zehnjährige Schwester. Eigene Kinder? Nope. Das wusste ich bereits mit 13 Jahren. Das ist nun 20 Jahre her. Ich bin nun 33. Meine biologische Uhr ist nicht am Ticken. So gar nicht.

Hasse ich Kinder?

Nein. Im Gegenteil. Denn das ist ja immer so ein Argument der Pro Life Bewegung. „Man hasse Kinder“.  Ich will selber einfach keine. Und es sollte gesellschaftlich akzeptiert werden, dass dem so ist, nicht nur bei mir. Egoistisch nennen mich nun vielleicht die anderen. Und auf diesen Punkt möchte ich näher eingehen. Denn wie viele von euch Eltern, haben denn Kinder in die Welt gesetzt, für das Vaterland? Anybody? Niemand? So. Dann hätten wir das geklärt.

Ich habe in den ganzen Jahren als Kinderbetreuerin aber gesehen, wie egoistisch manche Eltern waren ein Kind in die Welt zu setzen. Was? Kinder bekommen soll egoistisch sein? JA! Ich habe viele Kinder erlebt, die nur auf der Welt waren um die Ehe oder die Beziehung zu retten oder damit sich Mami und Papi durch das Kind Träume erfüllen konnten, die ihnen selber verwehrt blieben. Kinder, die auf der Welt waren als Egoverlängerung der Eltern, als Profilierungsobjekt.

Kinder die auf der Welt waren, weil irgendwelche Verwandten und Tanten es einfach von der Frau erwartet hatten und man ihre Erwartungen erfüllen wollte. Das Kind war aber ungeliebt und ungewollt und wurde zwischen den Familienmitgliedern hin und her geschubst, teilweise zwischen 3 Kontinenten. Wenn zwei Menschen beschliessen, ihre Liebe zu krönen durch ein Kind, um ihre Gene weiter zu geben, ist das dann nicht egoistisch? Eine Frau, die auf die Samenbank geht, weil sie unbedingt einen Erben braucht für ihr Vermögen, aber nicht mit einem Mann teilen möchte, ist das nicht egoistisch? Kinder als Mittel zum Zweck zu benutzen ist in meinen Augen SEHR egoistisch.

Ich wusste, was ich tat – andere auch

Auch das Argument man habe ein „Leben genommen“ lasse ich nicht gelten. Oder ob ich nicht gewusst habe, wie weit das „Baby“ entwickelt war. Hey! Ich arbeite beruflich mit Kindern. JA, ICH WEISS DAS, ALLES! Auch traue ich, anderen Frauen zu sich selber zu informieren und sich bewusst zu machen, welche Tragweite ihre Entscheidung hat. Da muss kein Vater Staat kommen, meist regiert von Männern,  und mir das vor`s Gesicht hauen und mir versuchen ein schlechtes Gewissen zu machen oder zu meinen, es besser als ich zu wissen, was für mich das Beste ist. Jede Frau, die einen Abbruch hatte, wusste, genau was sie tat. Und nicht alle Frauen bereuen das.

Für mich gab es keinen Punkt, im Leben, wo ich dachte: „Hey..hättest du das Kind mal lieber bekommen!“ Nie. Echt nicht. Auch wollte ich mich sterilisieren lassen, doch in DE und auch in der Schweiz ist das mit Mitte zwanzig oder nun mit 33 Jahren nicht möglich, da ich keine Kinder habe und noch zu jung bin. Also auch da, weiss Vater Staat besser als ich, was das Beste für mich ist. Danke für die Bevormundung! Aber eine Frau, die Kinder haben möchte mit 2o Jahren, wird nicht vom Staat bevormundet, lieber zu warten, bis sie reifer ist. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Und ein „Leben“ ist es erst ab Geburt, so mit vollen Menschenrechten und der Fähigkeit selber zu überleben. Unter drei Monaten ist es ein Zellhaufen, der ausserhalb meines Bauches eingeht und nicht überlebensfähig ist. Denn all zu oft sind Pro Life Anhänger zu sehr verliebt in die Föten im Mutterleib und verlieren den Blick für die Kinder die ungewollt in das Leben kommen. (Wer da Fragen hat, kann gern auf mich zukommen. Meine Eltern haben mir regelmässig gesagt, wie toll ihr Leben verlaufen wäre, hätte es mich nicht gegeben!) Und da kommen wir zum nächsten Punkt.

Bessere Bedingungen für Familien und Alleinerziehende

Man will nicht so offen über Schwangerschaftsabbrüche in der Öffentlichkeit diskutieren? Dann lasst uns darüber sprechen, was die Pro Life Bewegung macht für das Wohl von Mutter und Kind oder zum Wohle der Familien.

  • Setzen sie sich ein für eine bessere Aufklärung von Jungen und Mädchen, Frauen und Männern?
  • Machen sie sich stark für kostenlose Verhütung für mittellose Frauen und Männer?
  • Machen sie sich stark dafür, dass Männer stärker zur Verantwortung gezogen werden zwecks Verhütung?
  • Setzen sie sich ein, dass Alleinerziehende und Familien nicht knapp an der Armutsgrenze leben müssen, weil sei Kinder haben?
  • Machen sie sich stark, dass sich alle Kinder leisten können?
  • Setzen sie sich ein für bezahlbare Betreuungsplätze zur Vereinbarung von Beruf und Mutterschaft?
  • Wird allgemein was unternommen um Familien besser zu unterstützen? Familienfreundliche Arbeitsmodelle z.B?
  • Auf alle diese Fragen ist die Antwort: NEIN!

So lange diese Punkte von der Pro Life Bewegung nicht genau so hartnäckig „bearbeitet“ werden, wie Frauen, die ihr Recht auf eine Abtreibung in Anspruch nehmen, sollten sich alle mal beruhigen und den Rand halten. Denn ein Fötus kommt irgendwann auf die Welt und hat Bedürfnisse, kostet Geld, was viele nicht haben und eine Mutter oder eine Familie die von Sozialhilfe lebt findet man dann ja auch nicht so toll. Das ist dann Asozial. Kannste dir nicht ausdenken sowas!

Meist sind es ja Männer, die sich daran stören

In den ganzen Diskussion in den letzten Wochen um den Paragrafen 219a fiel mir ja besonders auf, dass gerade Männer Frauen das Recht absprechen wollen über ihren Körper zu entscheiden. Warum? In welchem Universum haben wir Frauen uns erhoben um den Männer zu diktieren, was sie mit ihrem Körper machen dürfen und was nicht? In keinem. Fragt man dann diese Männer, ob sie denn Frauen in irgendeiner Art unterstützen, die ungewollt schwanger wurden und das Kind ausgetragen haben…bleiben sie mir immer eine Antwort schuldig.

Denn die ist ja selber schuld, dass sie schwanger wurde. Was macht sie auch die Beine breit? Warum verhütet sie nicht? Und überhaupt, wenn man Pro Choice ist, kommt immer das Argument, dass man ja eine Frau ist und Frauen Kinder bekommen sollten. Dafür ist die Gebärmutter doch da. Lustig, uns Frauen wird vorgehalten unsere Gebärmutter zu „benutzen“. Sie aber verweigern ihrem Gehirn jegliche Anstrengung.

 

Hier ein paar Schmankerl aus der Ecke:

„Na das Argument „Mein Körper, ich kann abtreiben soviel ich will“ ist grundlegend falsch. Es zeugt von einem komplett falschem Verständnis.“

„Es wäre besser, die Frauen würden ihre Sexualität in den Griff bekommen dann würde die Ärzteschaft gar nicht mehr in die Lage versetzt werden auch noch mit der Tötung ungeborenen Lebens ein Geschäft zu machen Kinder sind bei der SPD sowieso weniger wert als die Halbgötter in weiß.“

„Aktuell sagt/toleriert Staat bei uns ca 12/14 Wochen, dann sagt man quasi dass das Recht des ungeborenen Kindes (plus Vaters) vorgeht vor dem Recht der Frau auf ihren Körper. Im Kern die schwierige Frage: Wann ist ein Mensch ein Mensch?“

Nochmal für alle, gern auch laut vorlesen, bei Bedarf mehrmals:

  • Verhütung ist nicht immer zu 100% sicher
  • Männer sind auch in der Verantwortung zu verhüten
  • Frauen werden nicht von alleine schwanger
  • Frauen bestimmen über ihren Körper, weil es schlicht und ergreifend ihr Körper ist
  • Frauen sind nicht egoistisch, weil sie sich nicht fortpflanzen wollen
  • Frauen schulden der Welt keine Kinder
  • Als Mann weisst du sicher nicht was für mich als Frau das Beste ist
  • Wir sollten uns mehr Gedanken machen um die Kinder, statt um die Föten
  • Aufklärung ist keine Werbung
  • Der Paragraf aus der Nazi Zeit gehört WEG!

Denn es scheint mir, je emanzipierter die Frauen werden, ihren Weg gehen, ihr Leben leben, unabhängig von Erwartungen von der Gesellschaft, sich loslösen von alten Mustern, desto mehr Männer wollen Frauen wieder einsperren, über sie bestimmen und sie unterdrücken! Ja, das alte Gerüst und Rollenverständnis von Mann und Frau fällt in sich zusammen und das ist gut so. Und das Argument, die Ärztin habe „Werbung“ gemacht für den Schwangerschaftsabbruch. Ich kenne keine Frau, die abgetrieben hat, weil sie „Werbung“ dafür irgendwo gesehen hat. Es ist immer noch ein schwerwiegender Eingriff mit möglichen Langzeitfolgen, körperlich und psychisch.

10 Gedanken zu „Über Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit reden“

  1. und für Frau Hänel hoffe ich, daß sie in der Berufung vor einem anderen Gericht, Recht zugesprochen bekommt. Ich frag mich echt, in welchem Jahrhundert wir eigentlich leben.

  2. Hallo Paula,
    wieder mal ein TabuThema…
    Obwohl Abtreibung für mich persönlich keine Option wäre (bisher jedenfalls und ausgenommen nach Vergewaltigung), stimme ich dir vollkommen zu!
    Und es ist völliger Blödsinn darüber nicht öffentlich sprechen zu dürfen!
    Und auch ich bin nicht sicher, welche Entscheidung die egoistischere ist!

    Ich betreue Kleinkinder und denke fast täglich, dass die Eltern sehr egoistisch ihren Kindern gegenüber handeln! Die armen Kleinen werden in die Betreuung gebracht wann immer und so lange es geht! Krankheit? Kein erbarmen! Und dabei sollen die Kleinen auch funktionieren und ihre Mamis und Papis immer lieb haben und niemals wütend sein!
    Am besten ein Junge und ein Mädchen, das passt zum neuen Eigenheim!
    Wenn das kein Egoismus ist….

    Andererseits habe ich noch nie von jemanden gehört, dass die Abtreibung leichtfertig entschieden wurde…

    1. Hallo Christine

      Ja, Kind ist heute auch hier in der Schweiz für viele ein Statussymbol…das muss man sich mal vorstellen.

      Nein, ich auch nicht. Aber am lautesten schreien und verurteilen ja die, die keine Ahnung haben.

  3. Liebe Paula!

    Danke für diesen Artikel! Danke für deinen Mut, Dinge an- und auszusprechen, was vielen Frauen aus Scham und Angst vor Verurteilung und Angriffen zu schwer fällt. Zu diesen Frauen gehöre ich leider. Ich schaffe es einfach nicht, über meinen Schwangerschaftsabbruch zu sprechen. Ich würde die Resonanz nicht aushalten. Und das macht mich wütend und traurig.

    Und im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbruch von Werbung zu sprechen, finde ich absurd. Ginge es um die Sterilisation des Mannes oder um Krebsvorsorge, würde man von Aufklärung sprechen. Aber auch hier kämen wieder Kommentare à la „geschmackloser Vergleich“ oder so.

    Liebe Grüße
    Yvonne

    1. Liebe Yvonne!

      Wer andere verurteilt und mit dem Finger auf sie zeigt, der vergisst, dass vier andere Finger auf einen selber zeigen. Gern geschehen.

      Ja, das mit der „Werbung“ finde ich schon krass, denn wer sonst sollte es anbieten dürfen, wenn nicht eine Ärztin? Ja, sie nimmt dafür Geld, wie jeder andere Mensch für seine Arbeit. Ich verstehe es nicht, so ganz und gar nicht dieses Argument.

      Ich wünsche dir alles gute!

      Liebe Grüsse,

      Paula

  4. Liebe Paula, vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Ich stimme Dir in allen Punkten zu. Es werden sicher einige Frauen, die sich gerade im Konflikt befinden, Deinen Artikel ganz genau durchlesen. Daher würde ich gerne noch deinen letzten Satz “ Es ist immer noch ein schwerwiegender Eingriff mit Langzeitfolgen, körperlich und psychisch.“ Dies ist natürlich nicht so. Abbrüche sind kein schwerwiegender Eingriff. Man wird durch einen Abbruch weder unfruchtbar noch psychisch krank (so lange man hinter seiner Entscheidung steht und sich von außen nichts anderes einreden lässt). Wie bei jeder anderen OP sollte man sich einen erfahrenen Arzt suchen. Bei meinem Abbruch war dies (also die Angst vor Folge ) fast der ausschlaggebende Punkt es nicht zu tun. Zum Glück hatte ich eine tolle Ärztin die mich in dieser Zeit sehr gut begleitet hat. Im Internet steht so viel Müll bezüglich der Folgen. Nach meinem Abbruch hat sich mein Leben nur zum positiven geändert. Meine Ehe ist nie besser gelaufen und ich war einfach glücklich mein Leben weiterführen zu können!
    Liebe Grüße

    1. Liebe Elisabeth

      Danke für die lieben Worte! Ich finde schon, dass es ein schwerer Eingriff ist, da man unter Vollnarkose ist. Die auch mit gewissen Risiken verbunden ist. Klar, wird man nicht unfruchtbar, oder psychisch krank, aber viele Frauen leiden doch darunter, im Nachhinein. Klar, nicht alle. Ich z.B habe es bis heute keinen einigen Tag bereut.

      Eben, nach dem Abbruch war ich auch erleichtert und keineswegs depressiv oder traurig, im Gegenteil. Nichtsdestotrotz ist es für mich trotzdem ein schwerwiegendes Eingriff gewesen. Schliesslich wurde aus mir unter Vollnarkose etwas entfernt.

      Ganz liebe Grüsse und weiterhin alles gute,

      Paula

  5. Moin. Ich glaube, es gibt hier allgemein ein großes Missverständnis darüber, was ein Rechts-System und damit ein Richter tut: ein Richter ist nicht dazu da, eine gesellschaftliche Realität zu bewahren oder zu verändern, sondern dazu, schriftlich festgelegtes Recht anzuwenden. Punkt. Innerhalb dieses festgelegten Rechts kann dieser Richter Dinge auslegen (als variabel erkennen), die woanders als eindeutige Tatsachen begriffen werden. Das kommt vor allem dort zum Ausdruck (bzw. zur Anwendung), wo es darum geht, ob jemand fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Ein Strafmaß hängt auch immer von den Beweggründen ab. So, und was hat in dieser Hinsicht nun der Richter im Falle „Hänel“ falsch gemacht? Man kann auch ganz einfach sagen: ein Richter macht kein Recht, er wendet es nur an.

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