«Der Begriff Respekt ist eine Ableitung aus „respektieren“=„achten, anerkennen, gelten lassen“ und stammt aus dem Lateinischen „respectus =„zurückschauen, Rücksicht, Berücksichtigung“ und auch „respecto“=„zurücksehen, berücksichtigen“.»
Das erste Mal in meinem Leben, das mir jemand gesagt hat, dass ich keinen Respekt habe, war meine Mutter. Sie schrie es mir ins Gesicht, während sie auf mich einschlug und mich durch die Wohnung schubste. Ich glaube da nahm ich das erste Mal bewusst wahr, was eine Projektion ist, nämlich salopp gesagt: Von sich auf andere schliessen.
Im Berufsleben begegnete mir das nun zum zweiten Mal. Das erste Mal war vor Jahren, als ich als Nanny meine Chefin fragte, ob ich die zwei Tage zwischen Weihnachten und Neujahr frei haben könnte, wie die Jahre davor, da ich mit Freunden nach Thailand wollte und rechtzeitig buchen müsste. Ich fragte im Oktober, was schon recht spät ist, eine Antwort darauf gab es zwei Wochen vor Weihnachten. Die Buchung fiel klar ins Wasser. Ich habe ihr damals klar und unter Tränen kommuniziert, dass das für mich so nicht stimme und ich das kein zweites Mal mitmachen würde – das nannte sie respektlos. «Du lässt das Nannykind im Stich, wenn du gehst!» In beiden Fällen bin ich gegangen, bei einer Arbeitgeberin früher, bei der anderen später.
«Grenzüberschreitungen? Sowas machen doch nur die anderen!»
Besonders als Singlefrau ohne Kinder projiezieren die Gesellschaft und allen voran andere Frauen ihre Ansicht vom Leben auf mich mit Sätzen wie: «Warte nur, bis der Richtige kommt!» «Du bist doch nicht wirklich glücklich, so allein!» «Du wirst es noch bereuen keine Familie gegründet zu haben!» «Du kannst nicht ewig so Leben, nur mit Kind erfährst du wahre Liebe!»
Alles total respektvoll, verstehet sich. Frau / Mann meint es doch nur gut. Auch die guten Ratschläge, nach denen ich nie gefragt habe in Bezug auf meine Familie – alles total respektvoll. Dass die Menschen Grenzüberschreitend ihre Nasen ungefragt in meine Angelegenheiten stecken, darauf würde nie einer oder eine von ihnen kommen. Sowas machen doch nur die anderen.
In allen Fällen waren da Frauen, die projizieren. Ja, es gibt auch Männer die projizieren, aber um die geht es heute nicht! Sie projiezierten ihr eigenes Verhalten auf mich. Und auch ich und du projiezieren unliebsame Persönlichkeitsanteile, die wir nicht wahrhaben wollen an uns, auf andere. Oder Eigenschaften, die wir uns verbieten, aber bei anderen sehen. Alles was uns an anderen tierisch auf den Geist geht, hat was mit uns zu tun, sonst würde es uns nicht aufregen!
Doch schauen wir uns mal, was die Psychologie dazu sagt:
«Projektion, ein zentraler Abwehrmechanismus, das unbewusste Übertragungen von Affekten und Impulsen auf ein Gegenüber. Anteile des eigenen Selbst werden in einer mit Affekten und Wünschen einhergehenden Interaktion dem Interaktionspartner unterstellt – in der festen Überzeugung, dieser sei so, wie man ihn wahrnehme. Die Projektion dient aus Sicht der Psychoanalyse der Abwehr von Angst und der Aufrechterhaltung des Selbstbildes: Nicht ich selbst habe manipulierende Absichten, sondern mein Gegenüber und Interaktionspartner. Projektionen sind häufig der Grund für dauerhafte Konflikte in sozialen Beziehungen. Projektion steht im Gegensatz zum Mechanismus der Externalisierung: Externalisierung bedeutet, jemanden vorübergehend für das eigene momentane Missgeschick verantwortlich zu machen, dann aber allmählich zu verstehen, dass dies der Entlastung des eigenen Selbstwertproblems dient. Bei Projektion geht es nicht um eine Reaktion auf einen ärgerlichen Vorfall und um die fehlende Übernahme von Verantwortung, sondern um die Abwehr eines inneren Triebimpulses oder Affekts, dessen Zuordnung zum eigenen Selbst Angst und Schuldgefühle nach sich ziehen würde. Der zunächst bei der Wahrnehmung anderer Personen vor allem zu Beginn einer Beziehung, bei noch nicht vorhandener Vertrautheit, unumgängliche Anteil von Projektion (auch: Vorausurteile) weicht schrittweise. Bei Persistenz der Vorausurteile kommt es zur Verfestigung und zu Vorurteilen, die dann als Aufhänger für Projektionen dienen müssen.»
Quelle: Spektrum
Wie man Projektionen bei sich selber erkennt
Projektionen zu erkennen bei sich selber, ist gar nicht so einfach. Es bedarf der tiefen Auseinandersetzung mit sich selbst und auch die Achtsamkeit im Alltag. Mir helfen folgende Fragen:
- Welches Verhalten stört mich?
- Was hat das mit mir zu tun?
- Wo finde ich in mir etwas von dem, worüber ich mich aufrege?
- Billige ich mir ein solches Verhalten nicht zu?
- Verbiete ich es mir? Hat die andere Person, etwas , das ich nicht habe?
- Erinnert die Person mich vielleicht an jemanden, den ich ablehne?
Wie man Projektionen bei anderen erkennt
Durch genaues hinhören und hinsehen. Die Person die über alle hinter ihrem Rücken spricht, sagt es gäbe keine echten Freundschaften mehr? Tadaaa- eigene Projektion. Oder nehme wir meine Mutter, während sie schrie und auf mich einschlug, schrie sie etwas von Respekt. Eine Frau die nie alleine sein kann, wird einer Singlefrau klar unterstellen, sie sei unglücklich, weil sie es selber wäre – sie projiziert ihr eigenes Innenleben auf andere.
Wo ich projiziere
Auch ich bin nur ein Mensch und nicht gefeilt vor Projektionen. Mich machen z.B respektlose, unpünktliche, unselbstständige und grenzüberschreitende Menschen wahnsinnig. Zum einen, weil es mich zu sehr an das Verhalten meiner Mutter erinnert, zum anderen, weil ich mir so ein Verhalten nicht erlaube, oder nicht erlauben kann. Ich bin immer noch dran das aufzuarbeiten umso mehr Leichtigkeit in mein Leben zu bringen. Die Coaching Ausbildung hilft mir da gerade extrem mich und mein Verhalten, meine Muster und meine Trigger zu erkennen zu beleuchten. Denn nur so verschwinden sie eines Tages und ich kann entspannter durch meinen Alltag gehen. Alles was Menschen an anderen stört, hat immer etwas mit ihnen selbst zu tun.
Ausnahme: Nazis, Sexisten, Machos, Homophobe, Rassisten. Die sind einfach so scheisse, ohne irgendeinen Anteil von dir oder mir!
Mir ist bewusst, dass meine Art, mein Auftreten und mein Lebensstil viele als Provokation empfinden, als respektlos und egoistisch. Weil sie sich diese Freiheit die ich täglich lebe, eins mit mir, authentisch, ohne Furcht, selber nie zugestehen würden.
Manche würden zwar gerne, aber trauen sich nicht, oder sind noch in dysfunktionalen Familien oder Beziehung gefangen. Und wohl auch, weil sie es nicht ertragen, dass andere etwas leben, dass sie gerne leben würden. Aber so ist es im Leben, jeder wählt seinen Weg. Jeder hat es in der Hand, wie oder sie das eigene Leben und sein Innenleben gestaltet und ob nun auf mich projiziert wird oder nicht, es ändert nichts an der eigentlichen Misere.
Hast du dich mit deinen eigenen Projektionen befasst? Oder hast du selber schon welche erlebt, an anderen?