Lockdown – Corona als Chance

Am 11 Mai sollen die Schulen nun langsam wieder ihre Tore öffnen, viele Eltern atmen nun erleichtert auf. Denn so einfach Kind, Beruf, Familie, Haushalt und das eigene restliche (gerade gegen 0 existente) privat Leben auf die Reihe zu bekommen erwies sich als fast unlösbare Aufgabe. Doch haben die Eltern auch was daraus gelernt? Hat die Politik daraus gelernt und wie wird sie handeln?

 

Wie es vorher lief

Ich erinnere mich an Lehrerinnen, die von Eltern zur Schnecke gemacht wurden, weil ihre Kinder schlechte Noten nachhause brachten. Die schuldigen waren natürlich die Lehrerinnen. Ich erlebe auch oft als Erzieherin, dass die Eltern uns die Schuld geben, wenn das Kind nicht die von den Eltern gewünschte „Leistung“ erbringt.

Wenn es nicht so läuft wie die Eltern sich das vorstellen, sucht man die Schuld bei dem, aus ihrer Sicht, unfähigem Personal. Die Anforderungen an das Personal, aber besonders an die Kinder sind extrem hoch.

Kinder mit übervollen Terminkalendern

Apropos hohe Anforderungen an die Kinder: Der volle Terminkalender mancher Kinder. Nach der Schule / Kita zum Sport, Ballet, Musikunterricht, Nachhilfe…manche Kinder unter 15 Jahren hatten eine 50 Stunden Woche. Ich habe selber in so einem Haushalt gearbeitet als Nanny. Nicht nur einmal. Wo blieb da die unbeschwerte Kindheit? Wo die Freizeit, um Kind sein zu dürfen? Schliesslich ist das eine äusserst stressfreie Zeit, die einem zur Verfügung steht, bevor lange Schullaufbahnen, Studium und Karrieren die meiste Lebenszeit beanspruchen. Aber zurück nun zu der Entwicklung.

Kind ist keine programmierbare Maschine

Es wird vergessen, dass Kinder keine programmierbaren Maschinen sind, die immer nach Schema F funktionieren. Das Kind mag zwar in der Vergangenheit ein bestimmtes Verhalten an den Tag gelegt haben, das bedeutet aber nicht, dass dies noch immer den Tatsachen entsprechen muss. Entwicklung ist nicht linear, sie kann auch rückläufig sein. Für viele scheint dieser Fakt aus der Luft gerissen zu sein und dient manchen als Erklärung und Beweis, für die Unfähigkeit der Pädagoginnen und Erzieherinnen, das Wesen des Kindes zu erkennen.

Machtkampf ohne Gewinner

Mancherorts wurde ein unnötiger Machtkampf eröffnet, bei dem es keine Gewinner geben konnte. Anstatt langjährigen, erfahrenen Menschen zu vertrauen, hat man sich auf Gegebenheiten und Aussagen verlassen, die in der Vergangenheit ihre Gültigkeit hatten. Das Jetzt und Hier, war und ist aber eine völlig andere Situation. Das Kind ist in der Kita, in der Schule, im Hort oder in der Spielgruppe ein anders Kind als zuhause. Anderer Input, andere Anforderungen die gestellt werden.

Anstatt in den Dialog zu treten, wurde Druck aufgebaut, Mauern hochgezogen und auf den eigenen Standpunkt beharrt. Der ja nicht per se falsch war, er hat einfach nur seine Gültigkeit verloren. Denn alles ist im Wandel. Wir, die Welt und das eigene Kind. Entwicklung ist beeinflussbar. Sowohl im positiven, auch im negativen.

 

Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Mass, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Massstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.

George Bernard Shaw

Kind beobachten, Situation beurteilen, Handeln – jedes mal neu

Ein Umzug, ein neues Geschwisterchen und besonders nun die Pandemie, das alles macht was mit dem Kind. Es verändert ja auch uns erwachsene, oder etwa nicht? Kind mögen zwar nicht verstehen, was genau im Moment passiert, doch sie spüren es. Sie haben feine Antennen, mit denen sie ihre Umwelt erspüren. Sie sind also voll im Bilde, dass etwas gerade nicht so ist, wie es in der Vergangenheit war.

Das führt zu Unsicherheiten, das kann auch dazu führen, dass ein selbstbewusstes, offenes Kind, plötzlich Ängste entwickelt. Da das Kind aber nicht über den nötigen Wortschatz verfügt, äussert sich das anders. Grössere Kinder nässen plötzlich ein, sind anhänglicher, brauchen mehr Aufmerksamkeit. Ich möchte anmerken, dass das alles mögliche Situationen sind, die nicht zwingend so, bei jedem Kind auftreten müssen oder werden.

Wie es nun laufen könnte

Ich erlebte in den letzten Wochen viele überforderte Eltern, die erkannt haben, wie schwer Homeschooling ist. Wie schwer es ist den Stoff zu vermitteln, das Kind zu motivieren, etc. Andere haben erfahren, wie kräftezerrend es ist, mit dem eigenen Kleinkind Tag und Nacht zusammen zu sein, ohne Pause.

Und nun kommt der Punkt: Wir brauchen einander. Wir können von einander lernen. Wir müssen uns nur gegenseitig vertrauen können. Denn eins eint uns: Wir wollen das beste für das Kind. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung ist unerlässlich, auf beiden Seiten. Und ich habe die Hoffnung, dass es nach dem Lockdown anders werden könnte, nun da man den Wert erkannt hat von Kinderbetreuung und Bildung ausserhalb des elterlichen Haushaltes. Und wie dringend der benötigt wird, damit alles wieder seinen geregelten Gang nehmen kann. Ich habe die Hoffnung, dass sich einiges zum besseren wenden wird, und wir gestärkt aus der Pandemie herausgehen werden.

Den meisten Kindern kam es zugute, so mein oberflächlicher Eindruck. Ich habe schon sehr sehr lange nicht mehr so viele lachende Kinder draussen in den Vorgärten und vor den Häusern gehört, an einem ganz normalen Nachmittag. Kein Termindruck mehr, von einem „Hobby“ zum anderen zu sprinten, sondern einfach nur mal wieder Kind sein dürfen und Zeit mit den Eltern verbringen. Ich hoffe, für alle Kinder, dass sie nun mehr Zeit bekommen ihre Kindheit zu erleben, ohne den Termindruck von damals.

 

PS. Jährlich am 30. April ruft der Deutsche Kinderschutzbund zum „Tag der gewaltfreien Erziehung“ auf.

«Für eine gesunde und dem kindlichen Potenzial entsprechende Entwicklung brauchen Kinder beständige, liebevolle Beziehungen. Sie sind angewiesen auf erwachsene Bezugspersonen, welche  ihre Würde wahren und sie in ihrer Persönlichkeit respektieren. Kinder brauchen Freiraum, um etwas auszuprobieren und sich entfalten zu können – und gleichzeitig benötigen sie Grenzen, die ihnen Halt, Sicherheit und Orientierung geben.

Eltern können viel dafür tun, den kindlichen Bedürfnissen zu entsprechen und gleichzeitig den Familienalltag angenehmer zu gestalten: Sie können unter anderem glaubhafte Vorbilder sein, denn Kinder nehmen sich am Verhalten der Eltern ein Beispiel. Sie können Klarheit schaffen, indem sie Regeln und Grenzen konkret formulieren und auf deren Einhaltung konsequent bestehen. Sie können positive Aspekte des kindlichen Verhaltens in den Vordergrund rücken und die Kinder dadurch in ihren (positiven) Absichten und ihrem Handeln bestätigen und bestärken.»

 

Quelle: Kinderschutz.ch

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