Fünfzehn Jahre lang hat sich meine Mutter von meinem Vater verprügeln lassen. Fünfzehn Jahre für uns Kinder, ausgehalten, wie sie immer betont hat. „Damit die Kinder einen Vater haben!“ Das mein Erzeuger, aber nie wirklich ein Vater war, hat sie aber übersehen. Nun gut, heute weiss ich, dass er krank war, aber wie ihr geht es anderen Frauen, deren Ehemänner nicht unbedingt alle psychisch krank sind. Obwohl- rasende Eifersucht, Besitz ergreifen wollen, den anderen kontrollieren, auch eine Art krankhaften Wahn darstellen können.
Gewalt gegen Frauen ist Alltag, leider. Frauen sind nicht am meisten in Gefahr, wenn sie sich nach draussen begehen, in dunklen Gassen. Meist sind die Täter in ihrem engsten Umfeld. Und die Täter sind nicht immer Ausländer, wie uns die besorgten Bürger weiss machen wollen. Es sind Deutsche und auch Schweizer. Die Gewalt steigt, nicht nur in der Schweiz, wo es
„1995 gab es bei jungen Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren 200 gewaltbedingte Unfälle mit Verletzungsfolgen; 2016 waren es bereits deren 640 – also mehr als dreimal so viele.“
Eine bekannte, kostenlose Zeitung der Schweiz wies dann Frauen darauf hin, wie sie sich am besten verhalten sollten, um nicht Opfer zu werden. Klar, bin ich als Frau schuld, wenn ein Mann mich attackiert. Klar, muss ich als Frau zusehen, dass mir nichts passiert.
Auch in Deutschland bietet sich ein Bild des Schreckens
„147 von ihrem aktuellen oder früheren Partner im vergangenen Jahr ermordete Frauen, das sei in einem modernen Land wie Deutschland eine unvorstellbare Grössenordnung, betonte die sozialdemokratische Familienministerin Franziska Giffey bei der Vorstellung der neuen Kriminalstatistik zu Gewalt in Partnerschaften. Im gleichen Zeitraum wurden 26 Männer von ihren Partnerinnen ermordet. Insgesamt wurden letztes Jahr 138 893 Personen von ihren Ehepartnern oder Lebensgefährten gestalkt, misshandelt, geschlagen oder sogar getötet. Fast 82 Prozent der Opfer waren Frauen. Fast genau spiegelverkehrt war es bei den ermittelten Tatverdächtigen: gut 81 Prozent waren Männer.“
Die Frauenhäuser in Deutschland sind restlos überfüllt.
Seelische Grausamkeiten
Und es ist ja nicht nur der körperliche Missbrauch, der stattfindet, es ist auch seelischer, der kaum nachweisbar ist, geschweige denn geahndet wird. Auch bei Stalking muss erst etwas passieren, bis man dagegen vorgehen kann. Und dann ist es meist schon zu spät. Man kann sich ja distanzieren, „drüber stehen“, eine neue Nummer holen, die Nummer vom Ex-Partner sperren ect. Ja, das kann man alles, wenn man es schafft. Meist ist man aber noch in irgendeiner Art und Weise im Glauben, er könnte sich bessern, fühlt sich vielleicht für ihn verantwortlich und lässt es eben mit sich machen, weil man es in der Kindheit so vorgelebt bekommen hat.
Been there, done that. Am Ende des Liedes hat mein innerer Kinski dann so getobt gegen die jeweiligen Personen, dass es strafbar war, was ich dort dann getan habe. Frei nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand. Sicher, es war nicht richtig und ich möchte mein Verhalten in keinster Weise entschuldigen. Doch was macht man als Frau, wenn das Gesetz nicht greift, wenn man alleine gelassen wird? Oder man als Opfer noch verantwortlich gemacht wird für das Verhalten des Mannes? Wehrt man sich? Und trägt notfalls die Konsequenzen einer Anzeige. Oder geht man daran zugrunde?
Allein gelassen
Das Perfide ist, hätten sie mich angezeigt, wäre es durchgegangen, während ich nichts gegen sie hätte ausrichten können. Seelische Grausamkeiten, ständige Belagerung und (seelische) Erpressung a la „Wenn du nicht zurück kommst bringe ich mich um“ sind schliesslich nicht strafbar. SMS und Anrufe während der Nacht auch nicht, denn ich hätte mich ja schützen können, in dem ich die Nummer sperrte. Warum ich es nicht getan hab?
Mitleid, Angst, verantwortlich zu sein, wenn er sich was antut, Hoffnung und tausend und eine Entschuldigung, die ich für diese Person damals aufbrachte. Selbst als er mich vergewaltigt hat, entschuldigte ich sein Verhalten. Empfand sogar Mitleid mit ihm, irgendwie. Er war betrunken, ich auch. Er hat ein psychisches Leiden, das ihn mehrmals in die Psychiatrie brachte. Das es eine Vergewaltigung war, stand von Anfang an für mich fest. Er sah das leider nicht so. Denn ich zierte mich ja sonst auch nicht. Nun ja, beweise mal, dass dich dein „Partner“ vergewaltigt hat, in Zeiten, in denen sogar deine sexy Unterwäsche als Beweis genug ist, dass du des auch wolltest und der Täter freigesprochen wird. Ja, richtig gelesen. In Irland wurde ein Vergewaltiger freigesprochen, weil das Opfer einen Tanga trug. Das zeigt ja wohl eindeutig die Bereitschaft des Opfers Sex haben zu wollen. Egal wem, wie es scheint.
Auch im Fall von Sigi Maurer musste sie beweisen (!), dass er ihr unerhörtes geschrieben hatte auf Facebook. Sie machte es öffentlich und wurde dafür bestraft. Wegen übler Nachrede. Weil sie seinen Namen und die obszönen Nachrichten öffentlich gemacht hat. Während er noch Schadensersatz von ihr fordert! Verrückte, ungerechte Welt.
Klar, auch für ihn gelten die Persönlichkeitsrechte, aber wer sich so ausdrückt, ich meine, Entschuldigung? Wenn man nicht in die Öffentlichkeit will, mit seinem Namen und seinem Gesicht, muss man sich eben korrekt verhalten. Keine Frauen belästigen online, sich nicht über die Rechte der Frauen stellen, wie ein gewisser Yannic Lukas Hendricks, aus Kleeve, der sich zum Hobby gemacht hat, Ärztinnen anzuzeigen, die über Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Webseite informieren oder sie anbieten. Ganz legal zeige ich euch auch noch sein Gesicht, hier.
Wie der Herr im Fall Sigi Maurer, möchte er am liebsten anonym bleiben. Tja, Yannic, hättest du dich besser um dein Leben gekümmert. Die Mathematik ist schliesslich ein äusserst Interessante und fordende Materie. Statt dich Herr machen zu wollen über das Leben von Frauen, denen du noch nie begegnet bist.
Es geht um Macht
Auch ihm geht es um Macht. Macht über Frauen und ihre Körper. Macht über Entscheidungen, die ihn und sein Leben gar nicht betreffen. Wenn ein Mann Gewalt, egal, in welcher Form gegen Frauen ausübt, ist es immer eine Machtausübung. Gewalt hat viele Gesichter, es muss nicht immer mit körperlicher Gewalt einhergehen. Und wer sich einmal gewalttätig zeigt, der wird es immer wieder tun. Man kann Wege finden, da heraus, durch Therapie und Selbstreflexion, aber meist sind die Menschen, die sich Herr machen wollen über andere, dazu nicht in der Lage.
16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Heute startet die im Jahr 2008 gegründete Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ Dieses Jahr steht das Männlichkeitbild im Vordergrund.
„Die Kampagne hat zum Ziel, für Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren, Organisationen in diesem Bereich zu vernetzen und neue Präventionsansätze zu entwickeln. Dabei werden auch weniger sichtbare Strukturen von Diskriminierung an Frauen thematisiert und Beratungsstellen bekannter gemacht. Um auf die zahlreichen Formen von Gewalt an Frauen hinzuweisen und klar zu machen, dass Gewalt an Frauen ein multidimensionales Problem ist, wird vom cfd und den Partner*innenorganisationen jedes Jahr ein Fokusthema konzipiert.“
In der ganzen Schweiz finden in den kommenden 16 Tagen Demonstrationen statt und Veranstaltungen um die Menschen zu sensibilisieren. Los geht es heute auf dem Helvetiaplatz in Zürich, um 18 Uhr mit einer Demonstration. Auch ans Herz möchte ich euch die Veranstaltung vom Kollektiv „Aktivistin“ legen, das am 7. Dezember in der Photobastei statt finden wird.