Es kann immer das letzte Mal sein

Das letzte Mal im See baden, am letzten warmen Sommertag. Das letzte Mal durch die Strassen flanieren, kurz vor dem Umzug aus der Stadt. Sich das letzte Mal umdrehen, nach einem Menschen, der einem Mal viel bedeutet hat. Das letze Mal weinen, um die grossen Gefühle (nicht um Menschen) die man einst hatte. Das letzte mal in der Sonne sitzen, unter einem Baum, mit dem Wissen, dass es er letzte Tag sein könnte dieses Jahr, bevor die lange Zeit der Kälte kommt.  Diese Momente sind alle besonders und wir geniessen sie in vollen Zügen. Auch ich bin gerade in diesen Situationen gewesen und geniesse sie sehr, koste sie aus.

Doch warum braucht es immer das Wissen dazu, dass es das letzte Mal ist?

Warum kann man nicht jeden Augenblick geniessen, voller Achtsamkeit, warum fällt es uns so schwer? Sicherlich nicht allen, das ist schon klar. Aber ich würde mal behaupten den meisten, mich eingeschlossen.

Ich habe so lange in Nürnberg gelebt und habe doch so viel nicht gesehen. Als ich dann bereits weggezogen bin, kam ich zurück und besuchte all diese Orte von denen ich immer dachte: Ach..ich lebe ja hier, morgen ist auch noch ein Tag um dahin zu gehen. Heute bin ich zu müde, zu faul und was weiss ich, was ich so für Ausreden hatte es nicht zu tun.

Das gleiche in Ibiza, das gleiche in Zürich und das gleiche nun auch in Winterhur

Ich werde in 3. Tagen zurück nach Zürich ziehen. Heute bin ich noch einmal los und habe all das getan, was ich mir die gesamten 1.5 Jahre immer wieder aufgeschoben habe. In der Sonne Frühstücken gehen, einen Kaffee trinken im Cafe und dabei Lesen. Mal ins Theater gehen. Und ja, ich war da und sah eine Schweizer Premiere: „Alles muss glitzern“ von Noah Haidle. Es war toll, so toll, dass ich die eine andere Träne verdrückt habe. Noch einmal, ein letztes Mal lief ich nach Hause, betrachtete die Strasse in der ich lebte, es war anders als sonst. Es war schön.

Können wir nur Dinge besonders schätzen, wenn wir wissen es ist das letzte Mal?

Ich habe versucht Achtsamkeit zu üben, doch geht diese meist im Alltag verloren. Nicht nur ich habe einen vollen Terminkalender und muss funktionieren, planen und manchmal auch von einem Termin zum anderen hetzen. Da gelingt es nicht immer mir vor Augen zu führen: Hey, es könnte das letzte Mal sein. Denn das ist die Wahrheit. Es kann immer das letze Mal sein, so ganz ohne Vorankündigung.

Wir leben, so selbstverständlich, dass wir vergessen – das Leben ist vergänglich

Und wie motzen wir rum und beschweren uns über unsere Luxusprobleme, die meist keine sind. Schieben wichtige und weniger wichtige Dinge immer weiter auf morgen. Ja, morgen ist ja auch noch ein Tag. Aber stimmt das immer? Oder machen wir uns etwas vor, weil es so leichter ist? Weil man sonst depressiv werden könnte? Einige von uns haben es nicht so weit geschafft wie wir, auch sie dachten bestimmt: Morgen, ach Morgen ist auch noch ein Tag. Ich werde ihr Morgen sagen, dass ich sie mag. Ich werde mich Morgen entschuldigen. Ich werde Morgen meinem Kind besser zu hörne als heute. Ich werde Morgen, das oder jenes tun, auch wenn ich das bereits seit Wochen, Monaten oder Jahren sage.

Kleine Inseln der Ruhe

Habt ihr sowas? Inseln Ruhe? Zeit nur für euch, Zeit zum „verschwenden“ wo das Handy mal still ist und der Terminkalender leer? Auch, wenn man es schwer glauben mag, ich habe sie. Dann gehe ich in die Natur und setze mich unter Bäume und beobachte wie die Sonne durch die Blätter scheint. Wie die Blätter sich wiegen im Wind , ich höre dazu meist klassische Musik und denke dabei an nichts. Einfach nur da sitzen, die Sonne spüren, die Blätter und das Lichtspiel beobachten. Mir mal wieder bewusst machen, wie privilegiert man ist, sich all das zu gönnen und erleben zu können. Es hilft mir, mich daran zu erinnern, wie vergänglich alles ist. Und das gewisse Dinge keinen Aufschub dulden.

Leben im jetzt

Ich werde euch nun nicht raten, so zu leben als gäbe es kein Morgen, alles hinzuschmeissen und zu tun was ihr wollt. Nein. Ich werde euch ans Herz legen den Augenblick zu geniessen. Dinge die euch wichtig sind nicht aufzuschieben. Zu sagen was ihr auf dem Herzen tragt. Heute. Nicht Morgen. Es gibt nämlich keine Garantie für Morgen und dafür muss man nicht sterbenskrank sein. Sich das vor Augen zu führen hilft einem, bewusster zu Leben, das was man gerade tut mehr zu geniessen. Oder habt ihr nicht den letzten Sommertag in vollen Zügen genossen? Seid ihr nicht nochmal raus, wart im See baden oder im Freibad?

Habt gegrillt mit euren liebsten und den Tag bis zum letzten Augenblick genossen? Wäre es nicht schön, jeden Tag so auszukosten? Lasst euch nicht vom Alltag zermürben. Und auch ein Montag hat was gutes. Denn wo würde man stehen, was könnte man aus seinem Leben machen, wenn man keine Aufgabe hätte, keine Arbeit, kein geregeltes Einkommen?

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13 Gedanken zu „Es kann immer das letzte Mal sein“

  1. So ist es. Selber wenn man versucht bewusst jeden Augenblick zu genießen, es geht oft genug unter.
    Und für mich kann ich bestätigen, die letzten Tage irgendwo, vor einem Umzug, ging ich mit Wehmut durch die Straßen und habe das ein oder andere plötzlich schön gefunden, was ich vorher langweilig oder blöd fand. Irgendwie bescheuert.
    Ich habe allerdings auch schon recht früh gedacht: Ich mache jetzt kein Foto, sondern ich speichere bewusst den Moment als Erinnerung.
    So habe ich eine kleine, aber sehr lebendige Erinnerung an ein paar im Grunde sehr „langweilige“, aber für mich schöne Momente.

    Ein Feld in der warmen Frühlingssonne mit zwitschernden Vögeln in der Ferne.
    Der rotorange Mond über dem Meer an einem lauen Sommerabend.
    Der Blick von einer Terrasse auf´s stille Meer. Der Steinboden ist warm unter meinen nackten Füßen.
    Und der absolute Höhepunkt: Ich sitze auf dem Dach eines Hauses in einem Wohngebiet mitten in Marrakech. In der Ferne liegt der schneebedeckte Atlas. Schwalben zwitschern. Es duftet nach Pfefferminztee und Grill. Meine Gastfamilie unterhält sich irgendwo unten im Haus, ihre Stimmen dringen leise zu mir herauf.
    Ich bin sofort wieder da. 🙂

    Es gibt noch mehr, wie ich gerade feststelle. Und es werden noch mehr werden.

    1. Hach..so wie Du das beschreibst, ist es als wäre man dort. Sehr schön <3 Habe auch so Handyfreie erinnerungen, gerade wenn ich auf Festivals bin oder was besonders schönes erlebe. Da möchte ich im Moment sein, nicht am Handy und den Moment mit allen Sinnen verinnerlichen!

      Schön, dass es nicht nur mir vor Umzügen so geht.

      Grüsse aus der sonnigen Schweiz

  2. Hallo Paula,

    auch ich habe meine Inseln, das sind die Abende, die ich alleine lesend im Bett verbringe, aber das sind auch alle Reisen, die ich alleine unternehme.
    Tatsächlich finde ich, dass kein einziger Moment wiederholt werden kann und daher jedes Ereignis absolut einzigartig ist. Deswegen finde ich es total wichtig, dass man sich in Erinnerung ruft, das Leben zu genießen. Aber wie du schon geschrieben hast: man soll nicht nur das machen, was man machen will, den Job kündigen und alle Sachen zu Geld machen. Es geht auch nicht darum, ständig zu denken, dass alles nicht für immer da ist und dadurch deprimiert oder traurig zu sein.
    Auch ich habe Tage, an denen ich weder etwas Sinnvolles für mich noch für andere getan habe. Das ist okay. Man sollte sich nur bewusst entscheiden für das, was man tut. Wenn man seinen Job hasst, sollte man etwas daran ändern, denn wer will schon so viele Jahre etwas ausüben, was er hasst? Menschen haben grundsätzlich Angst vor Vergänglichkeit und vor Veränderungen gleichermaßen.

    Ich hoffe, mein Beitrag ist nicht zu wirr geworden. 😀

    Liebe Grüße
    Ela

  3. Denn wo würde man stehen, was könnte man aus seinem Leben machen, wenn man keine Aufgabe hätte, kein Arbeit, kein geregeltes Einkommen?

    Als jemand, auf den das gewissermaßen zutrifft, kann ich sagen: Außerhalb. Man steht außerhalb. Aber das verschafft einem eine einzigartige Perspektive. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

  4. Liebe Paula,
    Wow das war ein toller Text. Ich hab da teilweise an den Film „Alles eine Frage der Zeit“ gedacht, kennst du den? Der ist voll schön!
    Ich muss auch versuchen viel achtsamer zu leben. Gerade als Blogger ist man viel zu viel an den technischen Geräten. Meine Ruheinsel ist seit ein paar Wochen eine Hängematte unter Bäumen, da kann ich echt gut abschalten, nur jetzt wird es leider zu kalt.
    LG Annika

  5. Hallo und Danke für diesen tollen Beitrag! Ich bin Stephan von den Alltagsmachern und mein Leben ist manches Mal ziemlich bescheiden. Ich bin nicht nur selbst Krank sondern kümmer mich auch um meine multimorbide und blinde Mama die mit mir und meinem Mann zusammen lebt. Es kann immer das letzte Mal sein da geb ich dir absolut recht und deshalb muss man trotzdem und genau deswegen immer weiter machen 🙂 Das letze Mal sollte immer wie das erste Mal sein !

    http://www.alltagsmacher.de lg Stephan

  6. Hallo Paula!
    Ein schöner Text, den man sich an den Spiegel hängen sollte – zumindest den Satz ‚Es kann immer das letzte Mal sein‘. Viel zu schnell versumpft man oft im Alltag und vergisst, was wirklich wichtig ist und dass das Leben nicht selbstverständlich ist.
    Meine Inseln sind die Berge – chillaxen auf einer schönen Bergwiese oder an einem See mit schöner Aussicht.
    Liebe Grüße
    Biene

    1. Hallo Biene!

      Danke =) Ja, das kann ich gut nachvollziehen, finde ich die Berge und die stille dort oben auch sehr relaxt. Und Wasser entspannt mich sowieso immer! Hach…

      Ganz liebe Grüsse,

      Paula

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