Lockdown – Day one

Jahrelange Bemühungen, all die Kämpfe für mehr Anerkennung und Wertschätzung erledigt nun der Virus für uns. Holt uns wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Die Party ist vorbei.

Ich wache auf, checke meine E-Mails. Meine anstehenden Prüfungen wurden abgesagt. Es wären nur noch die mündlichen Prüfungen, man könnte das mit der heutigen Technik lösen, geht es mir durch den Kopf. Nun ja, scheint nicht nur in Deutschland Neuland zu sein. Der erste Blick, weg von meinem Handy, fällt auf meinen offenen Kleiderschrank. Die Festivals im Sommer, ungewiss. Osterferien, ungewiss. Ich tapse ins Bad, treffe danach auf meine Mitbewohnerin, sie ist selbstständig. Darf ihre Praxis nicht mehr öffnen. Ich muss mich beeilen, muss in die Arbeit.

Wir sprechen uns ab mit dem Einkauf, ich würde gern mal wieder Gemüse essen, oder Obst. Beides habe ich seit Freitag nicht mehr in den Läden bekommen. Die Leute hamstern wie verrückt, allen voran Toilettenpapier. Was zum Teufel machen alle mit so viel Toilettenpapier? Dass die Grundversorgung nicht unterbrochen wird, hatte der Bund ja nicht nur einmal erwähnt. Wenn ich mir aber so die Läden ansehe, bin ich mir nicht so sicher.

Plötzlich Wertschätzung – Danke, Corona!

Ich habe nun einen systemrelevanten Beruf. Ich bin für die Gesellschaft von äusserster Wichtigkeit. Denn wer betreut all die Kinder, deren Eltern in anderen systemrelevanten Job täglich ihren Dienst antreten müssen? Plötzlich erinnert sich die Gesellschaft daran, auf wessen Rücken alles funktioniert, am Leben erhalten wird. Die Stadt Zürich hat hier ein Infoblatt für Eltern und Einrichtungen herausgegeben, hier zu finden.

„Und Polizisten erhalten als «systemrelevante Gruppe» nun besondere Unterstützung bei der Kinderbetreuung, um weiterhin im Dienst bleiben zu können.“

Quelle: Tagesanzeiger

Ist doch toll, dass alle auf die Kinderbetreuung angewiesen sind. Wo ist nur Ruhm & Ehre, besseres Gehalt?

Jahrelange Bemühungen, all die Kämpfe für mehr Anerkennung und Wertschätzung erledigt nun der Virus für uns. Holt uns wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Die Party ist vorbei. Wie lange das so bleibt wird sich zeigen. Ich bin mir sicher, dass es mit einem Monat nicht getan ist. Denn so lange soll der Lockdown in der Schweiz gehen.

Der Tagesanzeiger hat für uns zusammengefasst, was noch möglich ist, wer schliessen muss

«Geöffnet bleiben dürfen nur noch LebensmittellädenBäckereien, Metzgereien und Apotheken. Alle anderen Geschäfte bleiben ­geschlossen – vom Kleiderladen bis zum Geschäft für Accessoires. Auch sämtliche Gemüse- und Früchtemärkte fallen aus. Unklarer ist die Regelung bei 24h-Shops, wie dem Take Express an der Langstrasse.»

«Erlaubt ist nur noch, was nicht in einem Lokal stattfindet – LieferservicesPizzakuriere. Alle Restaurants, BarsClubsCafés bleiben zu. Bei den Lieferservices der Stadt herrscht einige Stunden nach der Medienkonferenz des Bundes noch Unklarheit.»

Quelle: Tagesanzeiger

Was das für mich bedeutet

Was das für mich persönlich bedeutet: Ich muss weiterarbeiten. Ich muss weiter pendeln. Ich kann nicht zum Friseur, oder zum Fitnessstudio. Ich kann ich nicht mehr frei bewegen, weder reisen noch mich mit Freunden treffen. Mein bester Freund ist nämlich in der Risikogruppe. Ich muss zuhause aufpassen, und mich von den Nachbarn fern halten. Evtl. fällt der Festivalsommer ins Wasser. Friseur ist in den nächsten Wochen auch nicht drin.

Alles in allem halb so wild. Eigentlich. Denn ich und andere kennen diesen Verzicht so nicht. Ich erinnere mich zwar noch dunkel an die Zeit in Rumänien, an leere Regale, ungenügende Versorgung der Bevölkerung (was hier wirklich nur durch die Hamsterkäufe entsteht) und geschlossene Grenzen. Nur ist das eben auch schon 30 Jahre her. Mir machen eher die Menschen sorgen, die nun ihre Existenzen verlieren könnten. Die Selbstständigen, die Menschen in der Gastronomie, die Kunstschaffenden usw. Mir machen die Alten Sorgen, die das Ganze noch auf die leichte Schulter nehmen. Denn egal wohin man sieht in den letzten Tagen, überall Greise Ü70.

Bleibt endlich zuhause, verdammt nochmal!!

Ob beim Einkaufen, am Sonntag in Rapperswil an der Seepromenade, oder auf Bänken in der Sonne. Es bringt nämlich genau 0, alle nachhause zu schicken, wenn die Risikogruppe munter in der Menge flaniert. Und es gibt Hilfe, Hilfe für jeden einzelnen. Im Netz und auch offline hat sich eine Armada in Position gebracht, um allen unter die Arme greifen zu können, egal um was es geht.

Ob telefonieren gegen die Einsamkeit, Einkaufen, Besorgungen, Gassi gehen mit dem Hund, Babysitter Angebote usw. Auch an Bushaltestellen hängen Blätter mit Hilfsangeboten und Telefonnummern, um auch wirklich jeden zu erreichen, aber vor allem die, die kein Internet haben, oder sich nicht in den sozialen Medien aufhalten.

Leider sah ich auch ein paar Angebote, die versuchen Profit aus dem ganzen zu schlagen. Eine Anfrage diesbezüglich wurde schon versendet. Es bleibt spannend. Es ist eine Zeit der Verunsicherung, aber auch eine Chance als Gesellschaft zusammenzuwachsen und Dinge grundlegend zu verändern.

Zahl der Infizierten: 2269

Zahl der toten: 19