Alle reden über Trauer 2017

Ich habe lange überlegt wie ich diesen Text anfangen soll, doch ich finde einfach nicht die richtigen Worte. Als Silke aufgerufen hat sich an der Aktion “Alle reden über Trauer” zu beteiligen konnte ich keinen Moment zögern, denn eigentlich wollte ich diesen Text schon lange schreiben, wusste aber nie wie anfangen. Und so entstand er nun endlich, er ist meinen Pateneltern gewidmet. Über 70. Menschen beteiligen an dieser Aktion. Alle Beiträge gibt es HIER

Von meiner Mutter hatte ich das nicht

Ich hab mich immer gefragt, woher all dieses Selbstbewusst sein kommt, woher die Vorliebe für Accessoires, Kleidchen, die vornehme Art und Weise gewisse Dinge zu tun. Denn meine Mutter ist nicht so, von ihr habe ich das nicht. Meine Kindheit, war alles andere als einfach, doch es gab immer sie, auch wenn sie weit weg waren die meiste Zeit meines Lebens. Aber was wirklich zählt ist, dass wir in den wichtigsten Jahren meines Lebens zusammen waren, die, auf die es im späteren Leben ankommt. Die Jahre, die wir Erwachsene meist unterschätzen. Die ersten vier, fünf Jahre meines Lebens und auch anfangs der Pubertät noch ein knappes Jahr. Wir sind viel gereist, ja keine Ahnung eigentlich warum ich immer dabei war. Ich gehe mal davon aus, weil ich ein unerwünschtes Kind war, dass man mich dort abgegeben hat und meine Pateneltern Freude an dem kleinen blonden Engel hatten. Zum Glück!

Schöne Erinnerungen an eine wundervolle Zeit

Ich erinnere mich an ewig lange Zugfahrten, an das flüstern im Hintergrund der Menschen im Abteil als ich schlief. An die schönen Kurhäuser die wir besuchten, oder ihre Freunde. Ich liebte unsere Ausflüge auf den Markt, oder  Marmelade einkochen. Auch an gemeinsam gefeierte Geburtstage kann ich mich noch gut erinnern, oder an den Balkon, den sie für mich zum Zelt umbauten im Sommer. Wahrscheinlich mag ich heute noch so gerne zelten, es erinnert mich an diese unbeschwerte Zeit. Sie selber hatten nie Kinder, mein Patenonkel war der siebte Ehemann meiner Patentante. Sie hatte, so glaube ich, noch ein recht wildes Leben. Das verbindet mich auch mit ihr, nur dass ich nicht unbedingt heiraten möchte, sondern reisen, leben, lieben, auch ohne Ring am Finger. Beide waren bereits pensioniert als sie meine Pateneltern wurden, also waren wir auch viel, sehr viel unterwegs.

Elizabet so hiess meine Patentante, liebte Handtaschen, hübsche Kostüme, die sie sich immer schneidern liess, manchmal auch im Partnerlook mit meinem Paten,  Accessoires und lange Perlenketten. Sie las auch viel, ich mag mich gut an ihre Brille mit den dicken Gläsern erinnern, später, als ich 8 Jahre alt war, haben wir gemeinsam gelesen am Nachmittag nach dem Essen. Meist schliefen wir auch gemeinsam dabei ein, es war herrlich. Ich erinnere mich sehr gern an diese Zeit zurück. Savu, so hiess mein Patenonkel trank gern hier und da mal abends einen mit seinen alten Kollegen in der Kneipe und er war ein begnadeter Koch und Sänger, yummy! Als ich noch klein war, schreinerte er mir eine grüne Bank mit einem grünen Tisch, an dem ich oft sass und malte. Auch im Alter übernahm er noch kleinere Arbeiten für die Nachbarn, es roch dann immer nach Kleber oder Farbe auf dem Balkon. Im Sommer hatten sie dicke Weintrauben, die rund um den Balkon wuchsen, von denen ich immer naschte. Auch der Flieder und die Rosen draussen vor dem Haus sind mir noch in bester Erinnerung, so wie die Nachbarin die immer zum Kaffee und Kuchen am Nachmittag vorbei kam. Wie lebendig die Erinnerungen alle sind, wird mir erst beim Schreiben dieses Beitrags so richtig bewusst und wie schmerzlich. Als mein Pate Krebs bekam, fuhr ich ein letztes mal nach Rumänien um mich von ihm zu verabschieden, ich war 3. Wochen dort. Es bricht mir heute noch das Herz, wenn ich mich daran erinnnere. Mager war er geworden, blass, doch hatte nicht seinen Humor verloren…Es sollte ein Abschied von beiden werden, das wir mir aber zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.

Sie waren ja immer da

Mir waren in jungen Jahren, die Vergänglichkeit des Lebens so gar nicht bewusst. Sie waren ja immer da, nie hätte ich einen Gedanken daran verschwendet, dass es eines Tages anders sein könnte. Ich besuchte sie danach nicht mehr, das Leben liess es einfach nicht zu. Schule, Ausbildung, Arbeit, der Alltag, wenig bis gar kein Geld um die Reise auf mich zu nehmen, ich zog bereits mit 17. Jahren von zuhause aus, genau während der Ausbildung. Danach war ich wieder in Ausbildung und machte mich Selbstständig, hiess also wieder keine Zeit, wieder kein Geld. Und so verging die Zeit. Als ich in die Schweiz ging vor 10. Jahren war sie noch am Leben, doch auch da verschob ich es auf ein anders mal. Ich war bei meiner Mutter nach meinem knapp einjährigen Aufenthalt in Spanien,  als die Nachricht ihres Todes kam. Ich war in der Stadt einkaufen, als mein Handy klingelte und meine Mutter ungewohnt ruhige Töne anschlug. Ich sollte nachhause kommen, es sei etwas passiert. Wie ich solche Ansagen hasste, musste ich es natürlich sofort wissen, nicht erst zuhause. Als sie es aussprach, brach mir der Boden unter den Füssen weg und ich wachte in der Realität auf. BOOM! Das Leben ist vergänglich! Ihr Tod traf mich mehr als seiner, vielleicht weil er immer etwas verschlossener war als sie und ich mit ihr auch mehr Zeit verbrachte. Es ist nun bereits 8.Jahre her, aber irgendwie, na ja will ich es bis heute nicht so wirklich wahr haben. Ich war seit meinem letzten Besuch vor 15. Jahren auch kein einziges mal mehr dort. Ich weiss, beide sind nicht mehr da, aber ich glaube, wenn ich dann vor ihrem alten Apartment stehe, oder in dem Vorgarten vor ihrem Haus, ich würde es nicht verkraften, es wäre einfach alles zu real. Und ja, ich habe Schuldgefühle, da sie immer da waren für mich. Ich hätte für sie da sein können, doch ich war es nicht. Damit muss ich leben. Ich denke jeden Tag an sie, sie fehlen mir beide sehr. Und ihnen habe ich es schliesslich zu verdanken, dass ich nicht ganz so verkorkst bin. Dass noch ein wenig Urvertrauen in mir steckt, nach allem was ich erleben musste.

Kümmert euch um eure lieben, so lange sie noch da sind

Ja, Oma besuchen ist nicht Glamourös, oder andere ältere Verwandte. Doch, wenn sie dann weg sind, bereut man bitter, dass man sich nicht die Zeit genommen hat die noch übrig war. Man schätzt die Menschen erst so richtig, wenn sie weg sind. Die Zeit bringt einem niemand zurück…

 

Das Bild zeigt mich mit 7. Monaten, mit chicer Kette mit meinen Pateneltern, beide im Partnerlook.

3 Gedanken zu „Alle reden über Trauer 2017“

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